Der Wanderführer hat´s
schwer:
Sicher könnt Ihr Euch erinnern, wie es war vor zehn
Jahren, als wir noch jünger und schöner waren, im Maggiatal wanderten in
langen Zügen, in der Verzasca schwammen, auf den Pizzo Leone
stiegen
Davon möcht´ ich erzählen, doch sollt´ jemand
seh´n, dass Ähnlichkeiten zwischen damals und heute besteh´n, so ist
das reiner Zufall, und nicht mit Absicht gescheh´n.
Gar schwer hat´s der Wanderführer, denn es muss ihm
gelingen, die vielen Wanderwünsche täglich unter einen Hut zu
bringen.
Denn sportlich wünschen´s die einen und gemütlich die
andern, und manche möchten am liebsten überhaupt nicht wandern.
Die einen ersteigen gerne einen Gipfel, den
anderen würde eine Alm schon reichen, die einen wandern lieber zu einer
Kirche, einige möchten möglichst schnell ein Grotto erreichen.
So ist es auch hier, wie bei vielen Sachen. Es ist
ganz unmöglich, es allen recht zu machen.
Ist das Ziel endlich klar und die Anfahrt
besprochen, sind alle auf die Autos verteilt, dann kann er nur noch
hoffen, dass die Fahrer den Weg auch finden und die Verkehrszeichen
seh´n, damit nicht auf dem Hinweg schon die ersten verloren
geh´n.
Sind alle angekommen und geht´s endlich los, dann
werden für den Führer die Probleme erst groß,
Weil der Haufen sich bald auflöst und in die Länge sich
zieht, dass er weder die Spitze des Zuges, noch die Hinterletzten mehr
sieht.
Denn weit voraus eilen die Marschierer strammen Schrittes
und voller Elan. Sie wollen nicht ruh´n und nicht rasten, nicht bergab und
auch nicht bergan.
Dann folgen die Diskutierer, in ernste Gespräche
vertieft. Sie lösen die großen Probleme, die es auf dieser Welt nun mal
gibt.
Danach kommen die gesprächigen Damen. Sie fangen mit den
süßen Enkeln meist an, erzählen dann von ihren klugen Kindern und
vielleicht auch mal von ihrem Mann.
Dabei kommen sie nicht außer Atem, auch wenn es bergauf
manchmal geht und das ist erstaunlich, weil den andern der Schweiß auf der
Stirne schon steht.
Dann folgen die Mineralogen. Sie sammeln Steinchen um
Stein, und die Steine werden immer größer und kommen alle in den Rucksack
hinein.
Und wenn der Rucksack dann voll ist, dann weiß die
Mineralogin Rat, weil sie nämlich für diesen Notfall eine Plastiktüte noch
hat.
Schließlich folgen die Botanisierer, sie bestaunen jede
Blüte am Pfad. Und da kann es schon mal länger dauern, bis man sich über
den Namen geeinigt hat.
(Dann kommt erst mal lange gar nichts.)
Ganz hinten zockeln die Fotografen, stets auf schöne
Motive bedacht. Und ist ein Motiv dann gefunden, wird noch lange kein Foto
gemacht.
Dann muss man auf gute Beleuchtung noch warten, damit das
Bild auch gelingt. Darum ist es wirklich kein Wunder, dass so mancher
verloren ging.
P.S.
Fast vergessen hätt´ ich die Freunde der Bäume. Sie
schauen sich jede Kastanie genau an und malen sich aus im Geiste, was man
daraus für schöne Bretter sägen kann.
Und da zum Fällen keine Zeit ist, bei der Wandergruppe
schnellem Schritt, nimmt der Holzfreund zur Erinnerung einen dicken
Knüppel doch mit.
Karl Walter
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