Der Wanderführer hat´s schwer:
 

Sicher könnt Ihr Euch erinnern,
wie es war vor zehn Jahren,
als wir noch jünger und schöner waren,
im Maggiatal wanderten in langen Zügen,
in der Verzasca schwammen,
auf den Pizzo Leone stiegen

Davon möcht´ ich erzählen,
doch sollt´ jemand seh´n,
dass Ähnlichkeiten zwischen damals
und heute besteh´n,
so ist das reiner Zufall,
und nicht mit Absicht gescheh´n.

Gar schwer hat´s der Wanderführer,
denn es muss ihm gelingen,
die vielen Wanderwünsche täglich
unter einen Hut zu bringen.

Denn sportlich wünschen´s die einen
und gemütlich die andern,
und manche möchten am liebsten
überhaupt nicht wandern.

 
Die einen ersteigen gerne einen Gipfel,
den anderen würde eine Alm schon reichen,
die  einen wandern lieber zu einer Kirche,
einige möchten möglichst schnell ein Grotto erreichen.

So ist es auch hier,
wie bei vielen Sachen.
Es ist ganz unmöglich,
es allen recht zu machen.

Ist das Ziel endlich klar
und die Anfahrt besprochen,
sind alle auf die Autos verteilt,
dann kann er nur noch hoffen,
dass die Fahrer den Weg auch finden
und die Verkehrszeichen seh´n,
damit nicht auf dem Hinweg
schon die ersten verloren geh´n.

Sind alle angekommen
und geht´s endlich los,
dann werden für den Führer
die Probleme erst groß,

Weil der Haufen sich bald auflöst
und in die Länge sich zieht,
dass er weder die Spitze des Zuges,
noch die Hinterletzten mehr sieht.
 

Denn weit voraus eilen die Marschierer
strammen Schrittes und voller Elan.
Sie wollen nicht ruh´n und nicht rasten,
nicht bergab und auch nicht bergan.

Dann folgen die Diskutierer,
in ernste Gespräche vertieft.
Sie lösen die großen Probleme,
die es auf dieser Welt nun mal gibt.

Danach kommen die gesprächigen Damen.
Sie fangen mit den süßen Enkeln meist an,
erzählen dann von ihren klugen Kindern
und vielleicht auch mal von ihrem Mann.

Dabei kommen sie nicht außer Atem,
auch wenn es bergauf manchmal geht
und das ist erstaunlich, weil den andern
der Schweiß auf der Stirne schon steht.


Dann folgen die Mineralogen.
Sie sammeln Steinchen um Stein,
und die Steine werden immer größer
und kommen alle in den Rucksack hinein.
 

Und wenn der Rucksack dann voll ist,
dann weiß die Mineralogin Rat,
weil sie nämlich für diesen Notfall
eine Plastiktüte noch hat.

Schließlich folgen die Botanisierer,
sie bestaunen jede Blüte am Pfad.
Und da kann es schon mal länger dauern,
bis man sich über den Namen geeinigt hat.
 

(Dann kommt erst mal lange gar nichts.)
 

Ganz hinten zockeln die Fotografen,
stets auf schöne Motive bedacht.
Und ist ein Motiv dann gefunden,
wird noch lange kein Foto gemacht.

Dann muss man auf gute Beleuchtung noch warten,
damit das Bild auch gelingt.
Darum ist es wirklich kein Wunder,
dass so mancher verloren ging.


P.S.

Fast vergessen hätt´ ich die Freunde der Bäume.
Sie schauen sich jede Kastanie genau an
und malen sich aus im Geiste,
was man daraus für schöne Bretter sägen kann.
 

Und da zum Fällen keine Zeit ist,
bei der Wandergruppe schnellem Schritt,
nimmt der Holzfreund zur Erinnerung
einen dicken Knüppel doch mit.


Karl Walter



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